Work in progress seit 2001; freihändig gezeichnet aus unzähligen feinen Linien; leere Kugelschreiber, Kugelschreiber, Bleistifte oder Buntstifte auf Papier; 21 x 21 cm bis 201 x 201 cm.
Helmut Kirchlechner ist Zeichner. Auf kleine und große weiße Büttenpapiere zieht er Kreise, beginnend von Innen nach Außen, mit Bleistift, Farbstift, Kugelschreiber. Je nach Druckstärke erscheinen die spiralig gezogenen Kreise dreidimensional eingegraben oder erhaben, rau, faserig, auch farbig, glänzend. In der Wiederholung findet Helmut Kirchlechner seine bildnerische Ästhetik (Wahr-Nehmung). Die Linien werden oft so fein, dass sie sich abheben und unstofflich werden, im Raum verschwinden, wie die sich entfernenden Klänge eines Saiteninstrumentes. Als Betrachter sehe ich auch Gestirne, Sternenstaub und unterliege dieser Verzauberung immer aufs Neue. In seinen Arbeiten sind Kreis und Quadrat (Format der Papiere) Maß und bildbauend, und, raumsuggerierend. Sich loslösend vom Grund, wenn sich die „Leere“ in den visuellen Vor-grund schiebt, das „Gebilde“ sich abhebt.
Das Faszinierende des künstlerischen Ansatzes von Helmut Kirchlechner ist in der Radikalität und Einfachheit des Konzeptes einerseits und der daraus entstehenden Konzentration und Intensität der visuellen Erscheinung andererseits begründet. Mögen die Beschränkung auf eine Form und eine fest umrissene Vorgehensweise zunächst als allzu große Einengung der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten erscheinen, so offenbart sich bei näherem Hinsehen und Einlassen ein unvermuteter Reichtum, der eine Vielfalt in Farbe, Technik und Materialqualität mit hoher energetischer Aufladung, meditativer Kraft und starker visueller Präsenz verbindet. Was die künstlerische Position von Helmut Kirchlechner auszeichnet, ist das Gegenteil von Beliebigkeit, nämlich Klarheit und äußerste Reduktion im Konzeptuellen, wodurch die sinnlichen Qualitäten der Arbeiten und ein nahezu unendliches Potential an Möglichkeiten nicht ausgeschlossen, sondern erst ermöglicht werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Form des Kreises nicht irgendeine Form ist, sondern die einfachste und zugleich vollkommenste Form, der höchste (Symbol-) Kraft innewohnt.
Deine neuen Gestaltungen sind aufregend und wirkungsstark – der Blick in die Unendlichkeit und die fassungslose Weite des Alls, eröffnet eine andere Dimension, die auch mich zum Nachdenken und Staunen bewegt.
Es begann in den ersten Monaten des neuen Jahrtausends mit einer alten Blechschachtel aus dem Büro meiner Mutter. Dort hatte ich sie schon in Kindertagen oft verwendet. Sie war voller Buntstifte, Bleistiftstummel, Kugelschreiber mit altmodischen Werbeaufdrucken, einigen Füllern und eingetrockneten Filzstiften. Ich hatte Zeit und nahm ein großes Blatt Papier, um die Stifte auf Funktion und Qualität zu prüfen. Dabei entstanden aus einem inneren Rhythmus ganz unterschiedliche Spiralen und verdichteten sich während des Prozesses zu Kreisscheiben, deren unmittelbare visuelle Sinnlichkeit durch den sonoren Klang der Stifte auf dem Papier erweitert wurde. Bei manchen Kugelschreibern musste ich viele Runden drehen, bis die Mine wieder ansprang, oder eben auch nicht mehr. Die Zeichnungen erinnern an Himmelskörper. Andererseits sind es Variationen, wie Fingerabdrücke von Individuen, die ähnlich und doch einzigartig sind. Mikrokosmos und Makrokosmos. Ich mag den Zusammenhang zwischen dem Ursprung des einfachen Kritzelns, wie es auch Kinder in ihren frühen Zeichenversuchen („Urknäuel“) erleben – und dem großen Ganzen, unserem Universum („Das in eins Gewendete“). Als eine Wahrnehmung der Wirklichkeit, ihrem subtilen Reichtum in endlosen Kreisläufen und unendlichen Variationen.
Work in progress seit 1999; ein intuitives Tagebuch in Bildern, das größtenteils während des kunsttherapeutischen Alltags entsteht.
* 1965
Schreinerlehre mit Auszeichnung, „Die gute Form“
Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Franz Weißhaar, Meisterschüler
Kunsttherapiestudium an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Gertraud Schottenloher
Kunsttherapeut am Psychiatrischen Krisenzentrum Atriumhaus, München
Supervision bei verschiedenen Lehrerinnen* (Doris Titze, Micheline Marx, Gassi Gerstberger, Christofer Schopf, Gisela Schmeer)
Zeichnen an Kontrapunkt
Zeichnen am Universum
Lehrauftrag für kunsttherapeutische Supervision an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Senta Connert
Lehrauftrag für kunsttherapeutische Supervision an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Juliane Melches
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Archiv Anonymer Zeichner, Berlin
The Sketchbook Project, Brooklyn Art Library, New York
Staatskanzlei Bayern, München
Kunst+Therapie, Fachzeitschrift, herausgegeben von Marion Wendlandt-Baumeister und Karl-Heinz Menzen, Cover 2020/21
das kleine wunder (plan.d. produzentengalerie, Düsseldorf, 2024), Drawing as Concept #4 (Trebisonda, Perugia, Italien, 2023), Der Stand der Dinge (Galerie Alte Brennerei, Kunstverein Ebersberg, 2022), Schaukasten (Best Records, am Kunstareal, München, 2019), KunstKunstTherapie (Galerie Wasserschloss, Taufkirchen, 2017), Linie 3 (Zauner/Günther/Duttenhofer/Kirchlechner, Galerie Klosterschule, Kulturverein Glonn, 2015), Anonyme Zeichner (Temporary Art Center Eindhoven, Niederlande, 2013), living room (Rottenfusser/Kirchlechner, private Wohnung, Sendling, 2012), Atelier Aperti (Museo Claudio Faina, Orvieto, Italien, 2010), Circles (solo, Kunstraum Westend, Frankfurt am Main, 2010), Das sechste Element (Aspekte Galerie Gasteig, München, 2008), Dialog (Oberhollenzer/Kirchlechner, Galerie Kleines Theater, Haar, 2006), achroma (Van der Made/Jonas/Kirchlechner, Kunstverein Friedberg, 2005), achroma (Van der Made/Jonas/Kirchlechner, Forum Süddeutscher Verlag, München, 2004), Junge Münchner Kunst (Galerie Walter Storms, München, 2003), Eisgrün und Geranienrot (Schultes/Kirchlechner, Galerie des Bezirks Oberbayern, München, 2001), Winter (Kunstraum Balanstrasse, München, 1999), Domagkateliers (München, 1998), visavis (Pasinger Kulturfabrik und Bahnhof Pasing, 1996).